Ich liebe «Assassin’s Creed 3»

«Assassin’s Creed 3» zeichnet mit überwältigender Präzision und Liebe zum Detail die Welt der amerikanischen Revolution.

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«Worldbuilding» ist eine wesentliche Stärke von Games. Und meine Güte, ist die Welt von «Assassin’s Creed» beeindruckend. Da ist Boston um 1770, mit dem Handelshafen, verregnete Backsteinhäuser im schwachen Licht der Laternen, Holzkirchen im Nebel; mit den unzähligen «Meeting Houses», mit Kneipen wie der «Green Dragon Tavern», dem Treffpunkt der «Sons of Liberty». Die Stadt wirkt wie ein lebendig gewordenes Gemälde.

Noch atemberaubender ist der Wald Neuenglands, in dem wir mit unserer Hauptfigur, dem Halbblut Connor (eigentlich Ratonhnhaké:ton von den Kanien’keha:ka, aka Mohawk) umherstreifen. Ich kenne schlicht kein Game mit schönerem Wald – «Assassin’s Creed 3» schlägt diesbezüglich sogar mein geliebtes «Skyrim». Seien es lichte Birken an der Küste oder Tannen an der höher gelegenen Frontier, sei es im Sonnenaufgang oder im fahlen Winterlicht, ob wir durchs dichte Unterholz streichen oder den tiefen Schnee stapfen – ich konnte mich nicht sattsehen. Wir können Aussichtspunkte entdecken, Federn sammeln oder jagen – einfach jede Gelegenheit packen, mehr Zeit in diesen Wäldern zu verbringen.

Damit gelingt etwas seltenes, unheimlich starkes: Statt von Bodenverbundenheit des «Edlen Wilden» zu predigen, setzt uns das Spiel stattdessen einfach in eine Welt, die wir ins Herz schliessen und so diese Verbundenheit direkt selber erfahren können.

Selbst als ich mit Desmond im gegenwärtigen New York einen Wolkenkratzer hochklettern musste, blieb mir angesichts der Aussicht auf die Skyline und des Blicks in die Strassenschlucht die Spucke weg. Ich habe Höhenangst, und fühlte dort oben auf einem schmalen Kranausleger das gleiche Kribbeln im Bauch, als stände ich an einem echten Abgrund. Desmond und die Gegenwarts-Missionen nervten mich zwar, doch wenn ich trotzdem Schweisshände kriege, dann beweist das Spiel, dass es eine spektakuläre Bühne zu bauen versteht.

Dazu ist die Geschichte wirklich toll gelungen. Das überrascht mich: Ich hatte erwartet, dass sie wildem Name Dropping und einer simplen Checkliste der amerikanischen Revolutionsgeschichte frönt. Klar, wir geraten mit Connor im Laufe des Plots in alle entscheidenden Ereignisse der amerikanische Revolution: Das Boston Massacre, die Tea Party, den Ritt des Paul Revere oder die Schlacht um Bunker Hill. Und wir treffen die grossen Namen wie z.B. Benjamin Franklin, Samuel Adams oder George Washington, dazu auch einige unbekanntere.

Doch immer bleibt es spannend, nie wirkt die historische Referenz hingeprügelt. Und wer jetzt etwas weniger History-Nerd ist als ich, wird andere Themen finden, die packen: Ein Vater-Sohn-Konflikt, grundsätzliche Fragen wie Heimat und Identität, oder die philosophische Diskussion, welche Mittel beim Kampf um die Freiheit erlaubt sind und ob sich die «Sons of Liberty» mit ihrer geschickten Kriegs-Propaganda tatsächlich so sehr von den Engländern oder den Tempelritter-Verschwörern abheben.

Die erzählte Geschichte wird ergänzt durch die «Animus Datenbank», wo wir zu jeder Figur, jedem Ort, jedem Ereignis historisches nachlesen können. Diese Texte sind hervorragend geschrieben. Sie sind, soweit ich das beurteilen kann, belesen und historisch differenziert, also inhaltlich sauber. Und sie sind in der Stimme von Shaun Hastings verfasst, dem sehr englischen, sehr nerdigen Assistenten von Desmond, der mit seinem zynischen Humor die inhaltlich trockenen Texte aufwertet. «The Aquila was built in France in 1749, in the city of Brest.» Gnihihi. «Stop it.» Ok! Wer diesen Text geschrieben hat, kennt und trifft sein Publikum sehr genau.

Doch – und noch wichtiger – es wird nicht nur locker gewitzelt. Das ist für mich das überraschendste: Dem Spiel gelingt es, eine differenzierte historische Sicht zu erzählen. Es widersteht fast ganz der Versuchung, die amerikanischen Ureinwohner als «Edle Wilde» zu zeichnen. Und es verheimlicht gleichzeitig nicht, welch unaussprechliches Leid ihnen zugefügt wurde, wie sie systematisch ausgehungert, bei jedem Landdeal betrogen, von vermeintlichen Verbündeten hintergangen und schliesslich gezielt ausgerottet wurden.

Auch der aus heutiger Sicht schreiende Widerspruch, dass die Vorkämpfer der Revolution gleichzeitig Sklavenhalter waren, wird angesprochen: Offenbar war die die Wahrheit «that all men are created equal» nicht so «self-evident».

Und wenn unsere Hauptfigur Connor, oft mehr Marionette als Puppenspieler, selbstgerecht auf diese Widersprüche hinweist, entgegnen Personen mit nachvollziehbaren Argumenten oder halten ihm den Spiegel hin. Selbst die Bösewichte im Spiel erhalten in ihren Letzen Worten Gelegenheit, ihr Handeln zu erklären – das Spiel lässt selbstbewusst viel Ambivalenz und Grautöne zu.

Eine faszinierende Geschichte auf einer spektakulären Bühne – inhaltlich hat «Assassin’s Creed 3» das Herz am rechten Fleck.

Und jetzt genug gelobt! Hier wird geschimpft: Ich hasse «Assassin’s Creed 3»

14 Gedanken zu “Ich liebe «Assassin’s Creed 3»

  1. Das Spiel hat so viele Fehler das ich es erstmals zur Seite gelegt habe. Nun warte ich auf den nächsten Patch der die Fehler hoffentlich behebt.

  2. Haha ich kann deinen Einwand mit den Zwischensequenzen in der Gegenwart absolut verstehen! Ich nerve mich auch jedes Mal.Auch die vielen Bugs im Spiel nerven mich.Aber sonst finde ich das Spiel toll, ein würdiger Nachfolger der Vorgängerversionen. Das Jagen macht mir grossen Spass und ich finde New York genial!Leider musste ich feststellen, dass ich ein sehr schlächter Kapitän abgebe 🙂 Die Schiffmissionen machen mir grosse Mühe.Aber sonst, macht es mir grossen Spass!

  3. Als erstes: Sexy Held! Geschichtlich und optisch haben die Macher mit viel Liebe zum Detail überzeigt. Der Spieler hat viele Freiheiten in einer grossen, wunderschönen Karte. Und der letzte Positive Punkt: Kein Teil von der jetztigen Triologie ist gleich. Es gibt immer wieder etwas Neues 🙂

  4. Das Spiel ist der Hammer! Alle die sagen es hat sich nicht gelohnt das Spiel zu kaufen, hat sich geirrt. Es ist einfach so einhammer geiles Spiel!

  5. @Jenny: Die Schiffsmissionen haben mich total überrascht. Ich hatte erwartet, dass die nur nerven und total überflüssiges Schnittfleisch sind. Als ich dann das erste Mal das Ruder in die Hand nahm, war es allerdings ein Supergefühl. Die Wellen und der Wind sind deutlich spürbar. Und es ist erstaunlich, dass wir überhaupt was sehen, weil wir ja das ganze Schiff vor der Nase haben.Und dann hat mein Schiff vor Martha’s Vineyard im Sturm einen Salto gemacht: Mit der Nase unter eine Riesenwelle getaucht, auf den Rücken gedreht und dann hingen meine Figuren da komisch rum, bis sich das Schiff nach ein paar Minuten langsam wieder aufgerichtet hatte. Haha, Sea Comedy!

  6. @Anja: Haha, echt, sexy? Ich finde seine Final-Fantasy-Frisur eher etwas peinlich. Und (das gilt für alle Figuren) wenn er den Mund aufmacht, sehen die seltsamen Zähne total creepy aus.Das mit den Freiheiten finde ich eben nicht. Es dauert viel zu lange, bis wir aus dem linearen Tutorial-Modus rausgelassen werden; und wenn wir dann frei wählen können, was wir als nächstes tun wollen, zwingt uns das Spiel IN den Missionen immer noch sehr stark auf, was wir tun dürfen und was nicht. Im Vergleich mit Dishonored z.B. habe ich schmerzlich Improvisationsmöglichkeiten vermisst.

  7. Ich glaube für AC3 gibt es nur diese beiden Lager und nichts dazwischen. Entweder man liebt oder hasst es. Ich persönlich freue mich immer wieder weil das Spiel genial gestaltet ist und die Geschichte so abgespaced ist, dass es sich eigentlich gar nicht lohnt darüber nachzudenken. Und naja das Gefühl zu einer Geheimorganisaton zu gehören ist immer cool oder? Aber das mit den der Darstellung der Gruppierungen ist wirklich gut gelungen. Nichts wird als absolut wahr bezeichnet. Und zudem wird ja nach jedem Opfer das getötet wurde, immer schön deine ganze Einsicht in Frage gestellt, dass man möglichs verunsichert ist. Gefällt mir!

  8. So hört doch auf immer alles so schlecht zu reden! Wenn man die Geschichte betrachte ist das Spiel der Ober Hammer! Was Besseres gibt es noch nicht! Bis auf das Assassins Creed 2 mit Ezio! Auditore!! Ach das waren noch Zeiten! Das Spiel wurde mit so viel liebe überschüttet, ist ja klar das es noch hapert… Doch habe ich noch kein Spiel gefunden das von der Geschichte!!! und Gameplay !!! so mitreisend ist!! Bitte Vorschläge……

  9. @Micha: Haha, ich zähle mich eben zu beiden Lagern und wäre damit ein schöner Gegenbeweis für deine Entweder-Oder-These!Das mit der Geheimorganisation wäre doch auch in der Vergangenheit allein gegangen, oder? Dafür braucht es Desmond nicht.

  10. @GuidoNaja man sagt ja so schön, Ausnahmen bestätigen die Regel!Und das mit Desmond war ja im AC1 noch schlimmer. Dort musse man nur ein bisschen rumlaufen, aber es hat immer genervt und man wollte möglich schnell wieder zurück. Allerdings muss ich sagen bei AC3 fand ich die erste Mission noch cool mit dem Hochhaus. Extrem unlogisch aber interessant.

  11. Meine Favoriten sind immer noch Zelda (N64) und die gesamte Gothic (1-4) und die The Elder Scrolls Serien (Morrowind, Oblivion, Skyrim). Assassins Creed stelle ich auf gleiche Ebene wie The Witcher und Dragon Age.

  12. @Gido: Ja ich war wegen einem Bandscheibenvorfall 10 Monate zuhause und hatte vviieell Zeit! Und da hat`s mich halt gepackt und nach dem das ich deine Links gelesen habe erst Recht: – )Habe da was gefunden: Es gibt neue Gerüchte zu Assassin’s Creed 4. Nein, nicht um den im Herbst erscheinenden Ableger Assassin’s Creed 3, sondern es geht tatsächlich um dessen Nachfolger! Einige Spieler wagten nun den Blick in die Kristallkugel und orakelten das Setting von Assassin’s Creed 4 zusammen. Heraus kam dabei, dass der Nachfolger des kommenden Ablegers möglicherweise im Zweiten Weltkrieg handelt könnte. Die Begründung der selbsternannten Orakel ist so einfach wie einleuchtend: die bisherigen Teile bewegten sich stets auf einer Zeitleiste nach vorne in Richtung Gegenwart. Was ist davon zu halten?Ubisoft selbst bremste die Mutmaßungen über das Setting von Assassin’s Creed 4. Francois Pelland teilte mit, dass der Zweite Weltkrieg nicht ausgeschlossen sein – ebenso wenig wie irgendein beliebiges anderes historisches Setting, denn die Macher seien nach seinen Angaben nicht darauf festgelegt, sich kontinuierlich nach vorne zu bewegen, sondern ebenso gut könnte Assassin’s Creed 4 ein Setting vor einem der bisherigen Ableger der Reihe erhalten.Es ist also reine Kaffeesatz-Leserei, sich schon jetzt Gedanken über die historischen Ereignisse in Assassin’s Creed 4 zu machen. Ebenso gut könnten der Erste Weltkrieg, die Französische Revolution, die russische Zarenzeit oder ein beliebiges anderes historisches Ereignis den Rahmen der Handlungen bilden. Bis es aber soweit ist, wird ohnehin noch reichlich Zeit vergehen – zunächst einmal erscheint im Herbst Assassin’s Creed 3.Also das mit den russischen Zaren wäre doch noch was…. Oder Ming-Dynastie, die hatten ja auch sehr gewütet …China auch jetzt noch 😉 deine Meinung?

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