Killzone 3: Flatterhafte Space-Nazis

In Killzone 3 kämpfen wir auf der Seite der Guten gegen Space-Nazis, in einem technisch grandiosen Shooter mit tollen Kulissen und schwungvoller Dramaturgie. Aber meine Güte, ist diese Geschichte dumm!

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Jaja, mir ist schon bewusst, dass die meisten Killzone-Spieler die Geschichte ignorieren und sich vor allem auf den Multiplayer konzentrieren werden. Jaja, mir ist auch bewusst, dass ein Shooter nicht in erster Linie eine Geschichte erzählen, sondern uns auf eine rasante Achterbahnfahrt mitnehmen will. Und jaja, mir ist auch bewusst, dass viele Action-Filme grauenhafte Geschichten erzählen. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass es auch anders geht: In Uncharted oder Modern Warfare gelingt es, neben allem Krachbumm auch spannende Handlung und Figuren unterzubringen. Und ich bin überzeugt, dass sowohl Action-Filme als auch Action-Spiele besser sind, wenn sie eine gute Geschichte erzählen. Killzone 3 versucht es auch, mehr als der Vorgänger – und scheitert dennoch recht ungelenk.


Das Kernproblem der Geschichte von Killzone 3 ist, dass man sich nicht für einen Tonfall entscheiden konnte. Wenn die bösen Helghast im Zentrum stehen, ist der Tonfall schwer und düster. Nach allen Regeln der Tragödie geht es um Verrat, Rache und Macht. Die Helghast werden uns als Space-Nazis präsentiert, die Uniformen, die rot-schwarz-weissen Flaggen, die Architektur – alles zeigt uns an, dass man es hier mit Proto-Bösen zu tun hat, die kein Mitleid erfordern (und denen man deshalb ungehemmt ins Gesicht schiessen darf). Ausserdem wollen sie in dieser Ausgabe der Killzone-Serie nicht nur ihren Heimatplaneten verteidigen wie letztes Mal, sondern die Erde direkt angreifen. Aus Rache: Denn im zweiten Teil hat unsere ISA (die Interplanetary Strategic Alliance, eine nur sehr oberflächlich verkleidete USA) den Helghast-Dikator umgebracht („Es war ein Unfall, ich schwöre!„), und dessen Sohn, der machthungrige, hinterhältige Waffenproduzent (wie praktisch!) Jorhan Stahl (Stahl, weil er Waffen produziert, aus Stahl, weisch), will nun dafür die ganze Erde mit einer neuartigen Massenvernichtungswaffe in die Luft sprengen. Klar: Space-Nazis planen die globale Endlösung.

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Zwar sind nicht alle Space-Nazis dafür, der leicht dumpfbäckige Admiral (der etwas wie Stalin aussieht, wohl einfach, um sicherzustellen, dass sich für jeden schrecklichen Diktator eine Referenz findet) z.B. will den Angriff auf die Erde verhindern. Nicht weil er Menschen gut findet, sondern weil er befürchtet, damit die Verteidigung des eigenen Planeten unnötig zu entblössen. Die Wendehälse im Senat sind schwach und alt und dekadent und korrupt und erpressbar – wie halt ein Senat in dieser Art von Geschichte immer ist. Trotzdem wäre hier eigentlich viel Potential, und man hätte durchaus vielschichtige Figuren schreiben können. Doch Killzone 3 verzichtet darauf. Space-Nazis sind halt böse, und für Schattierungen oder komplexe Motivation hat es da keinen Platz. Die kennen nur niederste Instinkte: Hass und Machtgier.

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In einem extremen, beinahe schizophrenen Kontrast zu diesem düsteren Tonfall steht das locker-luftige Getändel unserer ISA-Soldaten. Wir begleiten Rico Velasquez und Tomas „Sev“ Sevchenko, die sich wie immer in diesen Spielen etwas zu sehr mögen und sich auch mal lang und bedeutungsschwanger anschmachten. Da wird locker herumgeflapst und -gescherzt. Und Hauptgegner der zwei sind eigentlich weniger die Helghast, die in ihren Gasmaken und rotleuchtenden Gruselbrillen immer unpersönlich und schemenhaft bleiben, sondern ihr Captain Narville, der zögert und zaudert und sich immer zurückziehen und neu formieren will, statt vorwärts zu drängen wie ein richtiger Mann. Was die beiden lächerlich und doof und feige finden. Soviel Befehlsverweigerung habe ich noch nie gesehen in einem Kriegsspiel. Die Nebenrolle Jammer (eine knackige Computerexpertin, Eye Candy für die Hauptzielgruppe) sagt einmal: „There’s no point in following orders, if they are stupid!„. Was in keiner Armee durchgehen würde, ist bei der ISA in Ordnung, denn das sind schliesslich die Cool Dudes der Guten Seite.

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Das alles hätte ich wohl als schaumigen Kriegskitsch durchgehen lassen, wenn da nicht der atemberaubend hirnlose Schluss wäre (Spoiler Alert!). Wir haben eben verhindert, dass Oberbösewicht Stahl mit seiner Massenvernichtungsflotte Richtung Erde losfliegt und verfolgen ihn nun, um ihn zur Strecke zu bringen. Was in so einem Spiel nicht etwa „verhaften“ heisst, sondern „einen nuklearen Sprengkopf auf sein Raumschiff abfeuern“. Dabei werden leider – „Es war ein Unfall, ich schwöre!“ – die Massenvernichtungswaffen gezündet. Und die Waffen, die für die komplette Vernichtung der Erde gedacht waren, vernichten nun den Planeten Helghast. Im Ernst – um den Holocaust zu verhindern, holocaustet man einfach den Aggressor selbst. Die haben angefangen!

Schon haarsträubend genug? Nein, Killzone 3 setzt noch einen oben drauf: Unmittelbar nachdem wir gesehen haben, wie eine grüne Plasmawelle den ganzen Planeten überzieht und entvölkert, dürfen die lockeren Kumpel der ISA noch ein letztes Mal locker witzeln und einen Satz absondern, den wir vorher im Spiel schon mehrere Male gehört haben: „You never leave before an explosion!“ Die erste Reaktion der Guten Jungs auf die Zerstörung eines ganzen Planeten ist also ein dümmlicher Running Gag.

Absurderweise fällt dem Spiel selber auf, dass man sich hier in Widersprüchen verstrickt. Sev erinnert sich, dass man nicht zum Spass hier ist un
d murmelt: „My god, how many people were down there?„. Doch diese Selbstzweifel wischt das Spiel sofort weg und schneidet in den Abspann, der mit einem fröhlichen, tanzbaren Elektro-track unterlegt ist.

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Wow. Nach diesem Schluss war ich richtig erschöpft, und nicht etwa wegen der Action. Sondern weil das Spiel rund sechs Stunden lang inhaltlich und tonal herumschlingert wie ein Schimpanse, der es mit den vergorenen Früchten übertrieben hat. Die Geschichte wirkt, als wäre sie von völlig unterschiedlichen Leuten geschrieben worden, die nie miteinander sprachen und die wohl nur eine Gemeinsamkeit haben: Sie finden es unnötig, dieses grauen Wabbelding zwischen ihren Ohren als Werkzeug zu benutzen.

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Das ist schade, denn Killzone 3 ist technisch und spielerisch grandios – ein Vorzeigebeispiel, was man aus der Playstation 3 heraus kitzeln kann. Es ist schärfer als der Vorgänger, die Kontraste sind knackig, aber nicht übertrieben, eine hervorragende Kontrolle der unzähligen Lichtquellen. Immer fliegt etwas durch die Luft, sei es Schnee, Staub oder Pollen. Wir sehen weit, weit, weit, und abgesehen von einem kurzen Stocken, wenn ein neuer Abschnitt nachlädt, läuft Killzone 3 wie geschmiert. Das ist umso beeindruckender, weil das Spiel auch in 3D gespielt werden kann (ich habe aber nur in 2D gespielt), was bedeutet, dass jeder einzelne Frame doppelt berechnet werden muss. Wer sich für die technischen Details interessiert, lese die ausführliche Analyse der Digital Foundry.

Spielerisch betritt der Einzelspieler-Modus kein unbekanntes Terrain. Ein klassischer Korridor-Shooter – die Levels wirken zwar gross, doch tatsächlich rennen wir durch einen schmalen, streng linearen Pfad mit unsichtbaren Leitplanken. Doch innerhalb dieser Genre-Grenzen bietet Killzone 3 alles, was man heute von einem Blockbuster-Shooter erwartet. Die Schauplätze wechseln häufig, und unterscheiden sich immer deutlich von dem, wo man gerade herkommt. Von der zerstörten Stadt in den Dschungel, vom Eismeer zum Schrottplatz, per Space Elevator in eine Raumstation. Und jedes Mal anderes Licht, andere Farben und wirklich grandios gezeichnete Landschaften.

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Die gleiche Abwechslung wird bei den Waffen geboten. In jedem Level erhalten wir ein neues Spielzeug der Zerstörung. Zielsuchende Raketen, Scharfschützengewehr, eine Art Nagelpistole, deren Bolzen beim Aufprall explodieren, Raketenwerfer – und natürlich darf auch das grüne Plasma nicht fehlen, das es offenbar auch in einer tragbaren Variante gibt. Sogar ein Jetpack inklusive Maschinengewehr dürfen wir ausprobieren. Jede dieser Waffen fühlt sich anders an und verändert unsere Vorgehensweise im Level deutlich. Und einige der schwierigeren Kämpfe sind schlicht eindrücklich: Der erste Angriff von Gegnern mit Jetpacks bleibt mir ebenso in Erinnerung, wie die ekligen Flammenwerfer, die von oben in einen Schützengraben zünden. Oder schwer gepanzerte Heavies und eine Art Kamikaze-Messerstecher, die unheimlich schnell auf uns zu rennen und Panik auslösen.

Wenn man es also schafft, das Hirn ebenso auszuschalten wie die Autoren der Geschichte, dann reisst das Actionspiel mit. Allerdings nur, wenn man es auf die herkömmliche Art und Weise mit einem Kontroller steuert.

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Das holländische Entwickler-Studio Guerilla Games gehört zu Sony. Und weil Killzone ein Vorzeigetitel für die Playstation 3 ist, versucht man, das Vehikel nicht nur zur Promotion von 3D zu nutzen, sondern auch für den letzten Herbst lancierten Fuchtelkontroller Move. Die Idee ist so alt, wie das Fuchteln vor dem TV selbst. Schon für die Wii war einer der ersten Titel das schlechte Red Steel, und auch dort sollten wir mit dem länglichen Ding in der Hand auf den Bildschirm zielen, als wäre es eine Chäpslipistole.

So naheliegend die Idee, so schwierig ist die Umsetzung. Und nach dem Versuch von Killzone 3 bin ich nun geneigt, die Idee endgültig als gescheitert zu erklären. Das wird nie funktionieren, in keinem Shooter.

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Das erste Problem ist schlicht Gewohnheit. Wer regelmässig Shooter spielt, weiss sofort, wie er die zwei Analog-Sticks am Kontroller zu bedienen hat. Der linke Stick steuert die Bewegung der Figur (in alle vier Himmelsrichtungen), aber ohne die Figur in der Achse zu drehen. Der rechte Stick dagegen bewegt die Kamera, also sozusagen die Ausrichtung unserer Augen (wenn wir aus der Perspektive der ersten Person aufs Spielgeschehen blicken), und gleichzeitig auch das Fadenkreuz. Dieses ist starr mit der Kamera verbunden – wenn wir nach links unten blicken, ist auch das Fadenkreuz links unten, immer noch in der Mitte des Bildschirms.  Diese Art von Steuerung kennen und erwarten alle Gamer, wir müssen sie nicht lernen, wir können sofort intuitiv eine Figur steuern, und zwar von Anfang an schnell und präzise.

Wenn man nun erstmals mit dem Move-Kontroller steuern und zielen soll, profitiert man nicht von diesen über viele Jahre eingeübten Bewegungen der Daumen. Das führt dazu, dass sich das Spiel sofort ungewohnt und unpräzise anfühlt. Als würde man das erste Mal auf ein Velo sitzen.

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Nun kann man sagen, das legt sich mit der Zeit und mit mehr Übung. Doch es kommt noch ein zweites Problem dazu: Bei der herkömmlichen Steuerung sind Kamera und Fadenkreuz verbunden. Das geht mit einem Move- oder Wii-Kontroller nicht. Denn den Arm nach vorne halten ist auf die Dauer anstrengend, und wenn man die Hand zur Entspannung nach unten sinken lassen will, darf deswegen nicht jedes Mal die Spielfigur in den Boden starren. Das desorientiert schnell, im schlimmsten Fall wird es den Spielern wohl sogar speiübel. Vereinfacht gesagt gilt bei Stick-Steuerung: Nichts tun, entspannen = Alles bleibt zentriert, nichts passiert. Bei Move/Wii-Steuerung dagegen gilt: Nichts tun, entspannen = Nach unten zeigen. Das geht nicht.

Controller

Deshalb muss man bei dieser Steuerung zwangsläufig die Kamera-Steuerung von der Ziel-Steuerung entkoppeln. Damit gerät man aber vom Regen in die Traufe. Alle Fuchtel-Shooter gehen so vor: In einem bestimmten Bereich in der Mitte des Bildschirms bewegt sich nur das Fadenkreuz, wenn wir unseren Kontroller bewegen, die Kamera aber nicht. Erst wenn wir das Fadenkreuz weiter gegen den Rand hin bewegen, fängt sich auch die Kamera in diese Richtung an zu drehen, meistens schneller, wenn wir näher zum Rand kommen. In Killzone 3 sind all diese Faktoren ausserdem frei einstellbar (Geschwindigkeit der Kamera-Bewegung und -Beschleunigung, Grösse der inneren, starren Box).

Diese Entkopplung ist zwar eine Lösung des Entspannungsproblems, doch sie macht das Spiel komplizierter. Sich nach links zu drehen, weil man von einem Gegner flankiert wurde, dauert länger, man muss die Kamera erst in die richtige Richtung „wischen„, bevor man mit dem Zielen beginnen kann (ich glaube, das ist auch der Grund dafür, dass in Killzone 3 die Korridore etwas enger sind als im Vorgänger, also eben nur selten Gegner nicht von vorn kommen). Das ist unnatürlich, umständlich, fehleranfällig und langsam. Und auch der eigentlich sehr präzise Move-Kontroller und die umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten von Killzone 3 beheben dieses Grundproblem nicht.

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Mit anderen Worten: Wer gerne im Mehrspieler-Modus gegen andere kämpft, lässt besser die Finger von der Move-Steuerung. Und auch für Einzelspieler sehe ich den Sinn nicht. Eine Steuerung, die man kennt und über die man nicht nachdenken muss, ist immersiver als eine, die von aussen zwar „echter“ aussieht, sich aber im Spiel unpräzise und ungewohnt anfühlt und deshalb stärker ins Bewusstsein dringt.

Trotz aller Kritik ist Killzone 3 dennoch ein sehr guter Shooter. Wären Spielmechanik und Dramaturgie nicht so solide, würde ich mich wohl auch nicht so ausführlich über die Fehler auslassen. Persönlich finde ich es sehr schade, dass man in die Geschichte nicht annähernd so viel Know How investiert hat wie in die Licht- und Partikeleffekte. Doch wer darüber hinwegsehen und auch den Move-Kontroller links liegen lassen kann, bekommt mit Killzone 3 ein hervorragendes Actionspiel.

Killzone 3 ist für die Playstation 3. Es ist nach PEGI ab 18. Das Haikiew ist hier.

2 Gedanken zu “Killzone 3: Flatterhafte Space-Nazis

  1. Man sollte erwarten, dass ein Game, das von Holländern gemacht wurde, eher äh.. "inspririerter" wäre (KulaWorld, De Blob, Autobahn-Raser…) Sie haben recht, die verschlüsselte Nazigeschicht hat mich schon kürzlich bei Tron 2 extrem angeödet, wann merkt die Unterhaltungsindustrie mal, dass das nicht mehr zieht, zumindest bei uns in der Alten Welt nicht. Wenigstens kann man offenbar Facials machen in Killzone3, ins Gesicht schiessen, oder was Sie sagen, evtl. ist das Spiel doch einen Blick wert. Bei Killzone 1 auf der PS2 hat mich die Gegnerintelligenz enorm beeindruckt (dazumals gab es ja noch Bots) Evtl. warte ich auf Homefront.

  2. Für mich stelle ich fest, dass mich bei Ego-Shootern die Geschichte vielfach deutlich weniger interessiert. Vielleicht hat es etwas mit dem Tempo zu tun, dass man permanent unter Strom steht und so halt Adrenalingetrieben einfach vorwärts macht. Das ist bei mir bei einem Uncharted oder auch einem Tomb Raider einfach anders. Ich gehe das ganze völlig relaxter an, geniesse oft die tollen Kullissen und verfolge auch die Story viel intensiver. Ist insgesamt einfach ein anderes Spielgefühl und daher finde ich in diesen Spielen die Story wichtiger. Heisst aber nicht, dass man dies nicht auch bei Shootern verfeinern kann.

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